Ist der Rajasil Kalkfeinputz der wohngesündeste Innenputz?
Um auf dem Laufenden zu bleiben, habe ich von sehr vielen Putzherstellern deren Newsletter abonniert. Heute hat mich der Newsletter von Heck Wall Systems erreicht und direkt angesprochen. Als Überschrift steht da fett gedruckt: „Rajasil KFP Kalkfeinputz – Der wohngesündeste Innenputz seiner Klasse“.
Weil Wohngesundheit wichtig ist und ich keinesfalls den gesündesten Kalkputz verpassen möchte, schauen wir uns das Produkt mal ein wenig genauer an. Die Einleitung macht schon mal sehr neugierig, denn dort ist zu lesen, „schadstofffrei und ohne chemische Zusätze“.
Den ersten Dämpfer gibt es aber schon in der nächsten Zeile. Der Kalkputz ist wohl nur auf Kalk-Basis. Das kann natürlich wieder alles Mögliche bedeuten. Im schlimmsten Fall wurde der Sack nur mal an einem Kalkwerk vorbeigefahren und darf deshalb als Kalkputz vermarktet werden. Das werden wir später noch genauer betrachten.
Was natürlich nicht fehlen darf ist ein Prüfsiegel, damit der Verbraucher auf den ersten Blick sehen kann um was für ein tolles Produkt es sich hierbei handelt. Beim Rajasil KFP Kalkfeinputz ist es der Blaue Engel.
Rajasil KFP Kalkfeinputz auf dem Prüfstand
Aber der Reihe nach. Zunächst habe ich erst mal versucht herauszufinden, mit welchen anderen Innenputzen sich Rajasil hier vergleicht. Wenn das der gesündeste Kalkfeinputz seiner Klasse ist, muss ja irgendwo definiert sein, um welche Klasse es sich dabei handeln soll. Gefunden habe ich darüber leider nichts. Somit hat dieser Zusatz absolut keine Aussagekraft. Wenn ich die Klasse selbst definieren und keine vergleichbaren Produkte aufliste, kann ich auch Glyphosat als das gesündeste Pflanzenschutzmittel seiner Klasse bewerben.
Dann versuchen wir mal herauszufinden was wirklich im Putz enthalten ist. Dazu schauen wir als erstes auf das Sicherheitsdatenblatt. Wir wollen ja noch herausfinden was auf „Kalk-Basis“ bedeutet. Laut dem Sicherheitsdatenblatt enthält der wohngesündeste Kalkfeinputz 5%-10% Zement und 2%-8% Kalkhydrat. Demnach liegt der Zementanteil deutlich höher als der Kalkanteil. Für mich ist das wieder ein klassisches Beispiel von Verbrauchertäuschung. Der Zusammensetzung nach handelt es sich um einen Kalk-Zementputz, der hier als Kalkputz vermarktet wird.
Ob weitere Zusätze enthalten sind, ist dem Sicherheitsdatenblatt nicht zu entnehmen. Deshalb kommt jetzt das technische Merkblatt an die Reihe. Bei solchen Datenblättern darf der Hersteller nochmal so richtig tief in die Marketing-Trickkiste greifen um den Verbraucher zu beeindrucken. Das schöne für den Hersteller ist, es gibt keine Vorgaben was im technischen Datenblatt enthalten sein muss. Beim Rajasil KFP fällt schon mal auf, dass laut der aufgeführten Zusammensetzung kein Zement genannt wird. Zumindest nicht offensichtlich. Der Zement wird lieber in der Formulierung „anorganische Bindemittel“ versteckt. Für den Laien schaut das erst mal so aus, als wäre kein Zement enthalten. Zudem sind noch Haftvermittler enthalten, die aber auch nicht benannt werden. Weil der Putz mit „ohne chemische Zusätze“ beworben wird, wäre es schon wichtig zu wissen, welche Haftvermittler eingesetzt werden. In der Regel handelt es sich dabei nämlich um chemische Zusätze.
Mehr Informationen liefert das technische Merkblatt leider nicht. Doch eine Sache ist mir noch aufgefallen, die aber eher zum Schmunzeln ist. Laut dem Datenblatt handelt es sich um einen dünnschichtigen Putz für Innenflächen. Weiter unten im Abschnitt ‚Nachbehandlung‘, ist dann zu lesen: „Der frische Putz muss während der Erhärtungszeit vor Regen geschützt werden“.
Weil die Datenblätter wenig über die tatsächlichen Qualitäten vom Kalkfeinputz hergeben, schauen wir uns noch den angehängten Flyer an.
Für den Fachmann / Fachbetrieb
Für diese Zielgruppe ist die Broschüre / Flyer gedacht. In dem Flyer geht es darum, dass der Putz 12mal besser als der Grenzwert ist. Was aber genau und vor allem wie getestet wurde, wird nicht genannt. Theoretisch könnten von 10 Grenzwerten 9 diesen genau erreichen und einer um das 12fache besser sein. Das würde ausreichen, um solch eine Aussage als Verkaufsturbo nutzen zu können. Wenn Gütesiegel eine Aussagekraft haben sollen, muss genau definiert sein, was und wie getestet wird. In vielen Bereichen genügen leider die Herstellerangaben um dennoch ein Zertifikat zu erhalten.
Auch geht es in dem Flyer darum, den Verbraucher zum Kauf zu animieren. Nachvollziehbare Fakten sind meiner Meinung nach nicht enthalten. Weil der Flyer die Gunst der Stunde nutzt um noch ein weiteres Produkt zu bewerben, möchte ich darüber kurz ein paar Worte verlieren. Was hier beworben wird halte ich nämlich für höchst bedenklich.
Das Dreamteam für die natürliche Wohngesundheit
Auf Seite 9 ist zu lesen: „Der wohngesündeste Innenputz seiner Klasse + Unsere atmungsaktivste Innenfarbe = Das Dreamteam für die natürliche Wohngesundheit“. Daneben abgebildet ist der KFP Kalkfeinputz und die SIF-Intorior Silikat-Innenfarbe.
Fakt ist schon mal, dass die Farbe falsch deklariert wird. Solche Farben müssen als Dispersions-Silikatfarben ausgezeichnet werden. Zudem enthält diese Farbe 1,2-Benzisothiazol-3(2H)-on, Gemisch aus: 5-Chlor-2-methyl-2H-isothiazol-3-on und 2-Methyl-2H-isothiazol-3-on (3:1). Das ist ein Biozid, welches allergische Reaktionen hervorrufen kann.
Zudem bin ich mir sicher, dass die Farbe auch Titandioxid enthält, was aber auch nicht aufgeführt wird.
Den Kalkfeinputz in Verbindung mit der SIF-Intorior als Dreamteam für natürliche Wohngesundheit zu vermarkten, halte ich für äußerst bedenklich.
Unterm Strich kann ich nicht erkennen, wie Rajasil den Kalkfeinputz mit dem Prädikat „wohngesündester Kalkputz seiner Klasse“ auszeichnen kann. Für mich handelt es sich dabei lediglich um eine Marketingstrategie, die den Verbraucher zum Kauf verleiten soll.
Es gibt wirkliche wohngesunde Kalkputze. Der Rajasil KFP Kalkfeinputz zählt für mich aber nicht dazu.
Wenn Sie Fragen haben oder mir Ihre Erfahrungen schildern möchten, freue ich mich auf Ihren Kommentar.
Nachhaltige Grüße aus Marktbreit
Gerold Engist
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