Ich liebe Newsletter. Oft liefern sie mir Anregungen um eigene Beiträge zu schreiben.
Heute habe ich einen Newsletter erhalten, in dem die neue Baumit Broschüre „Baumit: wenn Sanierung, dann wohngesund!“ vorgestellt wird.
Neben den üblichen Putzsystemen, die mit „wohngesund“ beworben werden, hat die Baumit KlimaColor Innenfarbe meine Aufmerksamkeit erregt. Passt zum Thema Kalkputz und ist wieder mal ein schönes Beispiel wie der Verbraucher getäuscht wird. Ob diese Täuschung bewusst eingesetzt wird kann aber nur durch die Damen und Herren von Baumit beantwortet werden.
Baumit KlimaColor Innenfarbe
Die KlimaColor Innenfarbe ist vom eco-Institut zertifiziert, im Denkmalschutz einsetzbar und gut für sensible Bereiche geeignet. So zumindest lauten die Werbeversprechen von Baumit. Auf der Website und im Produktdatenblatt wird die Baumit KlimaColor als konservierungsmittelfrei und emissionsarm angepriesen. Zudem wird ihr ein hoher Weißgrad und ein hohes Deckvermögen bescheinigt.
Und genau diese Aussagen haben mich neugierig gemacht. Weil hoher Weißgrad und gutes Deckvermögen in der Regel TITANOXID* bedeutet!
In der Produktberschreibung und im Produktdatenblatt wird dieser Zusatz, der im Verdacht steht krebserregend zu sein, aber nicht genannt.
Daher habe ich einen Blick ins Sicherheitsdatenblatt geworfen und wurde echt überrascht. Leider aber nicht positiv und auch nicht wegen des Titanoxids. Damit habe ich sowieso gerechnet. Womit ich nicht gerechnet habe waren Konservierungsmittel. Auf der Website zu KlimaColor und im zugehörigen Produktdatenblatt steht „konservierungsmittelfrei“! Zudem sind Konservierungsmittel bei hochwertigen Farben mit Kaliwasserglas als Bindemittel nicht notwendig.
Deshalb stellt sich mir die Frage, wird der Verbraucher bewusst durch Falschangaben getäuscht oder sind die Mitarbeiter von Baumit nicht in der Lage Datenblätter zu lesen? Ich weiß es nicht. Ich würde mich aber über eine Antwort von Baumit freuen.
Bis der Sachverhalt geklärt ist, kann ich daher nur empfehlen, dieses Produkt nicht zu verwenden, zumindest wenn Wohngesundheit bei der Kaufentscheidung eine Rolle spielt. Konservierungsmittel und Titanoxid sind definitiv nicht gesund. Ich persönlich halte es für höchst fragwürdig solch ein Produkt als „besonders umweltverträglich“ und „wohngesundheitlich unbedenklich“ zu bewerben.
*Titanoxid
Beim Titanoxid handelt es sich um einen Farbstoff, der im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Daher wurde Titanoxid im Oktober 2021 kennzeichnungspflichtig.
Im November 2022 wurde diese Kennzeichnungspflicht vom Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig eingestuft, nachdem Unternehmen wie Brillux, Sto Daw SE (zu denen Caparol, Alpina, Alligator gehören) und ein paar andere, Klage gegen die Kennzeichnungspflicht eingereicht haben.
Die Frist, gegen dieses Urteil Beschwerde einzureichen, lief Anfang Februar 2023 ab. Auch wenn Titandioxid jetzt wahrscheinlich nicht mehr kennzeichnungspflichtig ist, hätte Baumit es auf dem Produktdatenblatt angeben müssen, da das Produktdatenblatt am 19.01.2023 erstellt wurde – vor Ablauf der Beschwerdefrist.
Mal sehen wie lange die Industrie es schafft, Titandioxid als unbedenklich abzustempeln. Bei Asbest hat es knapp 100 Jahre gedauert.
Bereits 1899 hat die britische Beamtin Lucy Streatfield, die „evil effects“ (bösen Auswirkungen) von Asbest beschrieben. Verboten wurde es bei uns aber erst 1993.
Fazit
Falschaussagen von Seiten der Hersteller müssen Konsequenzen haben. Wenn, wie bei der KlimaColor, Inhaltsstoffe nicht nur verschwiegen, sondern diese bewusst als nicht vorhanden angegeben werden, muss es rechtliche Konsequenzen geben. Hier wird mit der Gesundheit des Verbrauchers und Verarbeiters gespielt.
Daher kann ich mich nur wiederholen: Wir brauchen eine gesetzlich vorgeschriebene Volldeklaration für alle Bauprodukte. Nur wenn die Inhaltsstoffe lückenlos benannt werden, hat der Verbraucher die Möglichkeit Schadstoffe in den eigenen 4 Wänden zu vermeiden.
Über Erfahrungsberichte oder Kommentare zum Beitrag freue ich mich.
PS. Mehr Geschichten und die Folgen moderner Baustoffe in meinem kostenlosen live Online-Vortrag.
[…] sich für eine Sumpfkalkfarbe entscheiden sollten. Eine hochwertige Sumpfkalkfarbe einhält keine Schadstoffe, die ausgasen können, es ist kein Titandioxid enthalten und sie wird aus natürlichen Rohstoffen […]
Hallo Norbert,
vielen Dank für deinen Beitrag zu Titandioxid. Scheinbar verbindet uns nicht nur das Thema Wohngesundheit. Tatsächlich gefällt mir auch Ducati. Die V4 steht auch auf meiner Wunschliste aber meine Frau meint, ich hätte schon genügend Mopeds.
Zurück zum Thema. Gerade wenn es um Titandioxid geht muss noch deutlich mehr Aufklärungsarbeit betrieben werden. Vor allem auch im Handwerk. Meiner Meinung nach bekommen wir solche Giftstoffe nur dann schnell vom Tisch, wenn sich das Handwerk weigert sie zu verarbeiten.
Asbest ist da ein gutes Beispiel. Bereits 1899 hat Lucy Streatfeild vor den evil effects von Asbest gewarnt. Verboten wurde Asbest aber erst 1993 in Deutschland.
Solange die Industrie mit solchen Stoffen Geld verdienen kann werden die sich mit Händen und Füßen wehren. Das ist auch beim Titandioxid nicht anders. Wir hatten ja schon die Kennzeichnungspflicht auf Baustoffen. Bis Sto, Caparol und Co. Klage eingereicht haben.
Deshalb wird sich erst dann etwas ändern, wenn solche Produkte nicht mehr verkauft werden können.
Ich wünsche dir alles Gute und wer weiß, vielleicht treffen wir uns mal irgendwo auf der Straße.
Grüße aus Marktbreit
Gerold Engist
Ein herzliches Servus aus Regensburg, Gerold!
Wir beide denken offenbar sehr ähnlich, was „Baufragen“ betrifft (da bin ich ebenfalls, oft „missionarisch“ tätig, ok, mein Bike ist auch für mich ein Refugium, ne Runde mit einem Ducatifahrer? 😉 )… nun, gerade geht es aber um Titandioxid bzw. im tieferen Sinne um Industrie(kapital?)interessen wie auch das Handwerk per se. Bei den letzteren beiden ist es erhellend, die Veränderungen jeweils mal für alle ganz offen zu analysieren (wäre doch ein interessantes, eigenes Thema)? 😉
Die Dosis und der Weg „in“ uns macht das Gift…
Titandioxid findet man heute (imho erschreckend) oft und überall – von Farben über Kosmetik (Sonnenschutz bis Zahnpasta als CI 77891) bis gar in Lebensmitteln (E171) oder Tätowierfarbe (als Rutil) und mehr. Vom BfR über EFSA bis zig Wissenschaftler beschäftigen sich schon länger und global richtig viele Institutionen u.a. mit TiO2 und seinen Risiken.
Letztendlich unbestritten sind bei TiO2 die Langzeitrisiken bei inhalativer Belastung (..jupp, Asbest lässt grüßen, das Blei gesellt sich in die Runde…wenn auch anders) – diese in Form von TiO2, führt zu chronischen Entzündungsvorgängen in der Lunge bis irgendwann zu Tumorbildungen.
Dermal gibt es derzeit keine belastbaren Verdachtsmomente, oral offiziell auch nicht (merkwürdig ist dabei nur – die EFSA bildet die Grundlage für alle Entscheidungen in solchen Fragen für die nationalen Institutionen und hat 2021 ganz klar gesagt: Orale Aufnahme nicht sicher, keine akzeptable tägliche Aufnahmemenge ableitbar! Und doch…. es ändert sich da, ja, nix. Auch nicht die daraus wenigstens ableitbare Deklarationspflicht – cui bono, die Frage stelle ich mir immer.. 😉
Nun, man könnte also boshaft sagen und Gerold entgegenhalten: Kaum einer wird seine ja flüssige Farbe mit dem Strohhalm in die Nase ballern, die Wand ablutschen etc. und selbst dann staubt das ja nicht? Jain…
Wie bei dem einst üblichen BLEIweiß(auch bei Mennige/bleicarbonathaltig), bei Asbest und Co…. die gefährliche Exposition entsteht auch bei gebundenen (flüssig/ausgehärtet) Gemischen jeder Art gerade bei Laien (idR gehts da ja um Sanierungen im Altbestand? 😉 ) unbewusst, idHS beim „Abräumen“ der Baustelle oder bei Renovierungsarbeiten (kehren, schleifen, stemmen etc. und der „Bausauger“ für 65,98 Taler hat *Üüüberraaaschuuung* NICHT die Klasse L, die Maske sitzt nicht, die Augen sind ungeschützt und selbst wenn alles das vorhanden wäre und richtig genutzt würde: Ohne viel weiteres Equipment und Aufwand VOR den Arbeiten, bei der BAUabschottung/Filterung, Analysen im Vorfeld usw. usf., wurde so regelmäßig schon die ganze Hütte grundverseucht(!)… Autsch. 😉
Also… „Bio/Tradition/HANDwerk“ (gibts das noch wirklich, oder eher „Fachkräfte“ welche von Anwendungstechnikern der Industrie eine „Instantkochschulung“ vor Ort verpasst bekommen? 😀 😉 ) – aber was nutzt von mir aus die Lehmfarbe zum Selbereintopfen, aus „gutem“ Abbaugebiet etc. wenn diese zwar so schön weiß ist… weil in dem PULVER eben wieder TiO2 dafür sorgt? Ja supi… ja, DANN staubt einem der TiO2 Dreck überhaupt erst und schon gleich vorher um die Nase und vglw. zur Dispersion reibt sich das später auch noch laufend schön easy von der Wand ab? (..und ratlos blickte das Publikum?).
Nicht alles was, mehr oder nur zum Teil „nativ“ ist… kann man als ungefährlich oder gar essbar betrachten…
Nun, ich persönliche freue mich wie Schnitzel… über Menschen wie Gerold, ihr Engagement, ihre Kompetenz und den Mut… eine offene Bühne dafür anzubieten. Hut ab, Gerold…
Hallo Herr PK,
wir verarbeiten die Sumpfkalkfarbe von Hessler und sind sehr zufrieden damit. Kreidezeit soll aber auch nicht schlecht sein.
Grüße aus Marktbreit
Gerold Engist
Guten Tag Herr Engist,
haben Sie Erfahrungen mit Kreidezeit Sumpfkalkfarbe? Oder wäre Hessler HP9100 Sumpfkalkfarbe die bessere Wahl?
Für Alternativen bin ich natürlich offen.
Grundputz (Hessler HP 9L) und Oberputz (Hessler HP90)
Danke im Voraus!
PK